Beim Wein von Martin Hubacher soll man die Herkunft schmecken

Martin Hubacher führt zusammen mit seiner Frau Michaela Gabriel den Johanniterkeller in Twann. Seinem Wein soll man anmerken, dass er vom Bielersee stammt.
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Wednesday 02 Oct 2024 Nachhaltigkeit

Martin Hubacher, wann haben Sie zuletzt ausländischen Wein getrunken?

Das war letztes Wochenende. Es gibt ausländische Weine, die ich sehr gerne mag, vor allem Burgunder. Es ist spannend, wie sich diese Weine zeigen. Durch meine Erfahrung merke ich oft, welche Philosophie ein Winzer verfolgt.

Sie holen sich Inspiration für Ihre eigene Arbeit?

Genau, jedoch ohne andere zu kopieren. Wir wollen echte Bielersee-Weine machen. Doch ich finde es interessant, die Unterschiede innerhalb einer Rebsorte zu sehen. Natürlich geht es aber auch um Genuss! Meine Frau und ich trinken oft Weine von Kollegen aus der ganzen Welt, wir erweitern gerne unseren Horizont.

Wie erklären Sie Ihrer Kundschaft, warum sie hiesige Weine gegenüber ausländischen bevorzugen sollten?

Die Weine haben kurze Transportwege und auf dem Johannitergut betreiben wir eine kontrollierte Bioproduktion. Dazu kommt der persönliche Kontakt mit der Winzerin oder dem Winzer. Wer zu uns kommt, kauft nicht nur Wein, sondern eine Geschichte. Die Kunden erfahren, wie der Wein produziert worden ist und welche Herausforderungen das Jahr mit sich gebracht hat.

Wieso lohnt es sich, für Schweizer Wein etwas mehr Geld auszugeben?

Wenn man im Supermarkt einen Wein für zehn Franken kauft, hat man keine Ahnung, wie er produziert worden ist. Wenn es den Leuten ernst ist mit Themen wie Nachhaltigkeit und Biodiversität, dann sollten sie die lokale Produktion unterstützen.

Kann Wein aus der Schweiz geschmacklich mit solchen aus bekannten Weinregionen in Italien oder Frankreich mithalten?

Nehmen wir das Burgund: Ich behaupte, dass wir in unserem Preissegment qualitativ hochstehender sind. Grundsätzlich finde ich jedoch, dass man keine solchen Vergleiche anstellen sollte.

Wieso nicht?

Bei einer Degustation in meinem Keller hat ein Gast einmal bei jedem Wein gemeint, er sei gut, aber wenn er ihn mit diesem und jenem vergleiche … Irgendwann habe ich gesagt: Ihr seid doch an den Bielersee gekommen, um die hiesigen Weine kennenzulernen! Uns liegt viel an unserer eigenen Weinstilistik. Auch hier am Bielersee unterscheiden sich die Weine der verschiedenen Winzerinnen und Winzer – zum Glück! Bei den Traubensorten geht es in eine ähnliche Richtung.

Das müssen Sie genauer ausführen.

Am Bielersee werden mittlerweile um die 50 Traubensorten angebaut. Ich finde das ein wenig gefährlich. Wenn ich beispielsweise Merlot höre, denke ich ans Tessin. Gleichzeitig hoffe ich, dass die Leute vom Tessin für den Pinot Noir ins Drei-Seen-Land kommen.

Sie plädieren dafür, dass jede Region auf ihre Spezialitäten setzt?

Genau. Ich finde es nicht gut, wenn alle alles machen. Die Leute sollen einen Ausflug an den Bielersee machen, wenn sie ihren Keller mit Pinot Noir aufstocken wollen. Im Jahr darauf gehen sie vielleicht ins Tessin, um Merlot zu kaufen. Das ist auch der Grund, weshalb ich bei den Piwi (pilzwiderstandsfähige Rebsorten) etwas skeptisch bin – obwohl ich kürzlich selbst davon angebaut habe.

Wieso?

Jedes Jahr kommen 10, 15 neue Piwi-Sorten auf den Markt. Wenn wir heute eine Neupflanzung machen, dauert es vier Jahre, bis wir die ersten Trauben ernten können. Ausserdem gehen wir bei den Rebstöcken von einer Lebenserwartung von 50 bis 60 Jahren aus. Bei all diesen neuen Sorten haben wir also keine Ahnung, was einmal daraus wird. Und dann muss man noch aus einem anderen Grund aufpassen.

Aus welchem?

Weinbau ist eine jahrhundertalte Kultur. Jedes Anbaugebiet hat seine eigene gewachsene Geschichte. Stellen Sie sich einmal vor, im Burgund müssten sie plötzlich von heute auf morgen überall den Pinot Noir durch Piwi setzen – dann würde niemand mehr dahin gehen! Beim Bordeaux ist es dasselbe. Diese Regionen haben sich über Jahrhundert einen Namen für ihre Weine gemacht. Für mich müsste die Forschung eher in die Richtung gehen, dass man einen Pinot Noir sucht, der resistent ist gegen Mehltau und der mit dem veränderten Klima zurechtkommt. So können wir unsere Identität behalten. Wenn der Tag kommen würde, an dem es am Bielersee zu heiss für Pinot Noir wird, wäre ich sehr traurig.

Ihre Liebslings-Rebsorte ist dann wohl wenig überraschend …

… der Pinot Noir. Man kann daraus so spannende und facettenreiche Rotweine keltern. Für mich sucht diese Sorte seinesgleichen. Und doch ist er nicht everybody’s darling.

Schweiz. Natürlich.