Ein Winzer aus dem Lavaux ist stolz auf die Freiheit im Schweizer Weinbau

Gemeinsam mit seinem Bruder Bertrand führt Eric Bovy das Weingut Domaine Bovy in Chexbres im Lavaux. Er ist froh, kann der Klimawandel seiner Lieblingstraube bisher nichts anhaben.
©Swiss Wine Promotion
Friday 31 May 2024 Interview

Eric Bovy, wann haben Sie das letzte Mal ausländischen Wein getrunken?

Das war an Ostern, weil ich im Ausland war.

Und wenn Sie in der Schweiz sind?

Dann trinke ich nur Schweizer Wein.

Wie erklären Sie Ihrer Kundschaft, warum sie hiesige Weine gegenüber ausländischen bevorzugen sollten?

Der grösste Vorteil der Weinproduktion in der Schweiz ist die Vielfalt. Auf einer relativ kleinen Rebfläche von rund 14’000 Hektar haben wir über 100 verschiedene Rebsorten, das ist grossartig. Dazu ist das Qualitätsniveau sehr gut und wir haben ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Sind die Vorzüge des Schweizer Weins schon genug bekannt?

Es fängt langsam an. Ich empfange viel internationale Kundschaft: Gestern hatte ich eine Gruppe Amerikaner, heute habe ich Kunden aus Taiwan. Viele Leute sagen mir, dass sie gar nicht gewusst haben, dass in der Schweiz Wein produziert wird. Sie sollen entdecken, dass hier nicht nur Schokolade, Gruyère oder Uhren hergestellt werden.

Vorhin haben Sie ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erwähnt. Allerdings gibt es in der Schweiz kaum so preiswerte Weine wie in Frankreich, Italien oder Spanien. Wieso? 

Wenn Sie bei uns die Weinberge bearbeiten, sehen Sie sofort, warum!

Und das wäre?

Das Lavaux ist aufgrund des Gefälles wenig mechanisiert. Meine Parzellen weisen eine Steigung zwischen 30 und 60 Prozent auf. Auf drei von elf Hektar ist es unmöglich, mit Maschinen zu arbeiten. Es gibt also viel Handarbeit. Zudem sind die Durchschnittslöhne in der Schweiz höher. Natürlich finden Sie andernorts billigere Weine, weil es bei uns schlicht nicht möglich ist, derart günstig zu produzieren. Doch wenn Sie eine ausgezeichnete Qualität wollen, müssen Sie auch im Ausland einen gewissen Preis bezahlen. Es ist ein Mythos, dass Schweizer Weine besonders teuer sind.

Können denn hiesige Weine mit solchen aus weltberühmten Weinbaugebieten wie dem Burgund oder Bordeaux mithalten?

Was die Qualität angeht, können wir uns mit den grössten Weinregionen vergleichen. Schweizer Weine werden oft an internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Ein Trumpf ist, dass jede Schweizer Region ihre typischen Rebsorten hat: etwa das Tessin mit dem Merlot oder das Graubünden mit dem Pinot Noir. Bei uns im Lavaux ist es klar der Chasselas. Aber wir machen auch andere Sachen – und wir machen sie gut. Als ich den Betrieb von meinem Vater übernommen habe, hatten wir vielleicht vier oder fünf verschiedene Weine, heute sind es 17.

Eine beeindruckende Steigerung!

Glücklicherweise verfügen wir in der Schweiz über eine Gesetzgebung, die uns diese Vielfalt erlaubt. Ich empfange regelmässig Produzentinnen und Produzenten aus dem Ausland, die ein bisschen neidisch auf die Freiheit sind, die wir hier haben. Das hat meiner Meinung nach dazu beigetragen, dass die hiesigen Winzerinnen und Winzer ihre Kreativität ausdrücken können.

Die Vielfalt Ihrer Weine hat sich also gesteigert. Gibt es noch andere wichtige Veränderungen, die Ihr Betrieb erlebt hat?

Auf technologischer Ebene können wir heute mit Kühlung oder Mikro-Oxigenation arbeiten. Das sind Werkzeuge, die die Generationen vor uns nicht hatten. Ich will nicht sagen, dass sie damals keinen guten Wein hergestellt haben, aber es gibt eben nicht nur den einen Weg. Aufgrund der globalen Erwärmung beginnt die Weinlese immer früher. Bei Trauben, die nach dem Mittag geerntet werden, kommt der Most mit 28 oder 29 Grad in den Keller. Wenn man da keine Anlage zum Kühlen hat, wird es schwierig.

Hat der Klimawandel für Sie als Winzer auch Vorteile?

Die Weinrebe ist eine Pflanze, die die Sonne und die Wärme liebt. Seit 2017 hatten wir fast durchgehend gute Jahrgänge. Nehmen wir als Vergleich die 60er-Jahre: Da war es genau umgekehrt, und man muss nach guten Jahren suchen. Der Klimawandel hat für uns eine positive, aber auch eine besorgniserregende Seite. Der Chasselas verträgt die Hitze gut, bei anderen Rebsorten fängt es dagegen an, problematisch zu werden – vor allem beim Pinot Noir.

Der die Kühle liebt.

Ja. Für ihn reservieren wir Parzellen auf 500 bis 600 Meter Höhe. Aber selbst dort haben wir im letzten Jahr schon Anfang September mit der Weinlese begonnen. Ich weiss nicht, ob die nächste Generation hier noch Pinot Noir anpflanzen wird.

Bereitet Ihnen das Sorgen?

Drei Viertel meiner Weinberge sind mit Chasselas bestockt, also bin ich in dieser Hinsicht nicht allzu besorgt. Schliesslich ist der Chasselas unsere DNA. In Regionen wie dem Burgund, das voll auf Pinot Noir setzt, sieht es anders aus. Was werden sie in Zukunft machen? Das ist die grosse Frage.

Zum Schluss noch die Frage nach Ihrer Lieblingsrebsorte – für Sie wohl einfach zu beantworten?

Das ist klar der Chasselas! Mein Lieblingswein ist unser Clos, ein Premier Grand Cru Classé. Die Reben wachsen auf einer Parzelle in St-Saphorin. Dort ist der Boden kalkhaltig, was den Chasselas sehr mineralisch macht.

Wozu trinken Sie ihn am liebsten?

Er passt gut zum Apéro. Oder auch zu einem schönen Felchenfilet oder einem Saibling aus dem See. Das ist magisch!

Schweiz. Natürlich.